Patrick Hansen leitet den Bereich Blockchain & Krypto beim deutschen Digitalverband Bitkom, der Interessen aus Wirtschaft und Wissenschaft vertritt. In Hansens Arbeitskreis engagieren sich knapp 60 Blockchain-Start-ups und Fintechs, 15 Banken, sowie hunderte weitere Expert*innen aus diversen Unternehmen und Branchen.
Hallo Herr Hansen, es gibt aktuell Tausende von Kryptowährungen, die in erster Linie von Privatpersonen ausgegeben werden. Kann sich jeder seine eigene Währung basteln?
Patrick Hansen: In der Tat ist es mit dem notwendigen technischen Verständnis mittlerweile relativ einfach, eigene Kryptowährungen zu emittieren. Dabei muss man aber zwischen Coins und Tokens unterscheiden. Coins basieren auf einer eigenen Blockchain, mit deren Hilfe Transaktionen abgewickelt werden können. Tokens nutzen eine bereits bestehende Blockchain. Die meisten der gelisteten Kryptowährungen sind Tokens, die auf einer bestehenden Technologie aufsetzen.
Worin unterscheiden sich die vielen Kryptowährungen?
Patrick Hansen: Kryptowährungen haben sehr unterschiedliche Funktionen und Ziele. Manche sollen für Zahlungen im Internet of Things genutzt worden, andere bilden Zugangsrechte ab, wieder andere sind als digitales Geld wie zum Beispiel Bitcoin konzipiert.
Der Wert eines Tokens steigt dann, wenn er genutzt wird – zu welchem Zweck auch immer.
Patrick Hansen, Blockchain-Experte des Digitalverbands Bitkom
Können Sie die Begriffe Blockchain und Kryptowährung einmal einordnen?
Patrick Hansen: Blockchain ist eine Technologie, die sichere Datentransaktionen auf Basis eines verteilten Netzwerks von Computern ermöglicht. Sie nutzt kryptografische Verfahren und Algorithmen, um Transaktionen praktisch unveränderbar zu machen.
Coins und Tokens sind keine „Währungen“ im klassischen Sinne, da sie kein gesetzliches Zahlungsmittel darstellen.
Patrick Hansen, Blockchain-Experte des Digitalverbands Bitkom
Wer treibt die Innovation bei den Kryptowährungen voran?
Patrick Hansen: Hier gibt es diverse Akteure auf unterschiedlichen Ebenen. Auf Seiten der Infrastruktur-Betreiber sind das all diejenigen, die an der Weiterentwicklung der Blockchain sowie deren Applikationen arbeiten.
Die hohe Marktkapitalisierung von Kryptowährungen lockt zahlreiche Unternehmen.
Patrick Hansen, Blockchain-Experte des Digitalverbands Bitkom
Wofür können Kryptowährungen im Alltag der Menschen schon eingesetzt werden?
Patrick Hansen: Das hängt sehr stark von den Bedürfnissen der Menschen ab. In Deutschland dient Bitcoin beispielsweise in erster Linie als Anlagewert. Privatanleger*innen – und zunehmend auch Unternehmen – wollen angesichts des großen Potenzials ihre Portfolios gegen Wertverluste und die Inflation absichern. Bitcoin wird von vielen inzwischen als digitales Gold betrachtet, das man seinem Depot beimischen sollte. Dass damit auch Risiken und eine hohe Volatilität verbunden sind, hat der jüngste Kurssturz gezeigt. In Staaten mit hoher Inflation wie Venezuela dienen Kryptowährungen zum Teil schon als Zahlungsmittel, da die staatlichen Währungen an Vertrauen verloren haben. Zuletzt hat die Türkei Zahlungen mit Kryptowährungen verboten, um den Druck von der eigenen Währung zu nehmen. Auch globale, grenzüberschreitende Zahlungen werden heute schon in Kryptowährungen getätigt, da klassische Wege immer noch teuer und umständlich sind. Hinzu kommt ein aufstrebender, dezentraler Finanzsektor, wo Kryptowährungen als Sicherheiten oder Kapitalanlagen zur Generierung von zinsähnlichen Erträgen eingesetzt werden.
Bitcoin wird von vielen inzwischen als digitales Gold betrachtet, das man seinem Depot beimischen sollte.
Patrick Hansen, Blockchain-Experte des Digitalverbands Bitkom
Zentralbanken nehmen sich mittlerweile auch dem Thema an. Welche Regulierungen sind im Bereich der Kryptowährungen zu erwarten?
Spätestens seit dem von Facebook initiierten Diem-Projekt ist das Thema in den Fokus der Politik gerückt. In den letzten 24 Monaten sind auf allen politischen Ebenen nationale und internationale Arbeitsgruppen zum Thema Blockchain entstanden. Daraus resultierten zahlreiche Regulierungsentwürfe. Weltweit werden derzeit die Weichen für mehr regulatorische Klarheit gestellt. In den EU-Institutionen geht es derzeit um die „Markets in Crypto Assets Regulation“ (MiCAR), die den EU-Krypto-Standort für das kommende Jahrzehnt maßgeblich prägen wird. Dieses Thema beschäftigt uns auch beim Bitkom seit Monaten. In meinen Augen wird sich der noch junge Krypto-Sektor stärker politisieren und den Austausch mit der Politik suchen müssen. Andernfalls könnten viele der geplanten Regelungen zu neuen Hürden werden, die Innovation und Geschäftsmodelle in diesem Markt erschweren oder ins Ausland drängen. Im Bitkom möchten wir diesen Austausch fördern – unter anderem auch in unserem Blockchain-Arbeitskreis.