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"Digitalisierung nutzt dem Produkt und der Nachhaltigkeit"

Auch vor Bauernhöfen macht die Digitalisierung nicht halt. Im Interview spricht der Landwirt und DKB-Geschäftskunde Eckhard Hunstock über die digitale Technik auf seinen Feldern, den Nutzen von 5G-Netzen und er erklärt, warum Verbraucher*innen dadurch bessere Produkte bekommen.

Oktober 2020

Eckhard Hunstock ist studierter Agraringenieur und betreibt als Geschäftsführer der Agrarprodukte Großvargula GmbH ein Landwirtschaftsunternehmen in Großvargula in Thüringen. Auf über 1.000 Hektar Fläche baut er unter anderem Raps, Qualitätsweizen, Senf, Soja und Braugerste an. Dabei unterstützt ihn digitale Technik, die mit Krediten der DKB finanziert wird.

Herr Hunstock, wie passen Digitalisierung und Landwirtschaft zusammen?

Eckhard Hunstock: Digitalisierung und Landwirtschaft sind heute gar nicht mehr voneinander zu trennen. Das hat sich in den letzten Jahren so rasant entwickelt, dass moderne Landwirtschaft ohne digitale Anwendungen gar nicht mehr möglich ist. Im Fokus steht dabei die bedarfsgerechte Anwendung von Produktionsmitteln. Betrachten wir zum Beispiel den Getreideanbau. Mit unterschiedlichen digitalen Anwendungen berechne ich anhand von Daten aus Bodenanalysen, welche Nährstoffe mein Boden benötigt, um einen möglichst optimalen Ertrag zu erzielen. Die bedarfsgerechte Anwendung von Produktionsmitteln bedeutet dann, dass die Landmaschinen auf dem Feld präzise Informationen verarbeiten und wissen, wie viel Saatgut auf welchen Quadratmeter des Ackers gesät werden muss oder wie viel Dünge- und Pflanzenschutzmittel nötig sind. Dabei muss jeder Eingriff in die Natur so minimal wie möglich bleiben. Das ist von betriebswirtschaftlicher aber auch ökologischer Notwendigkeit. Hierfür nutzen wir digitale Technologien.

Wie profitieren Landwirtschaftsunternehmen durch den Einsatz digitaler Technologien?

Eckhard Hunstock: Digitale Technologie spart nicht nur Kosten, sondern entlastet auch unsere Mitarbeiter. Sie können sich auf die wesentlichen Aspekte der Produktionsprozesse konzentrieren und sind nicht mehr mit simplen Aufgaben wie zum Beispiel dem Lenken von Maschinen beschäftigt. Zudem kann mithilfe von Technik auch der reibungslose Betrieb über viele Stunden gewährleistet werden. So können wir auch im Saisongeschäft der Landwirtschaft ermüdungsfrei und mit dauerhaft optimalem Ergebnis arbeiten – zum Beispiel mit intelligenten Lenkungssystemen. Diese sorgen unter anderem dafür, dass Flächen nicht doppelt bearbeitet, Ressourcen geschont und damit Kosten gespart werden.

Brauchen Sie als Landwirt auch neue Kompetenzen?

Eckhard Hunstock: Wer heute noch denkt, dass Landwirtschaft nur aus dem Bauch heraus gemacht wird, hat ein falsches Bild im Kopf. Natürlich entscheiden Landwirte auch aufgrund ihrer jahrelangen Erfahrungen, aber wir erhalten von Züchtern vielfältige Informationen zu Ansprüchen und Anfälligkeiten der von uns angebauten Kulturpflanzen.

Den Bauern, der den ganzen Tag mit der Mistgabel hantiert, gibt es nicht mehr.

Eckhard Hunstock, Landwirt und Geschäftsführer

Als Landwirte versuchen wir anhand dieser Informationen und mithilfe digitaler Technologien diese Pflanzen möglichst unter den geforderten Optimalbedingungen aufzuziehen. Neben diesem Basiswissen muss man sich aber natürlich auch mit der Technik auskennen, die in den Maschinen verbaut ist. Und man muss Computersysteme mit komplexer Software bedienen können. Dafür haben wir gut ausgebildete Mitarbeiter. Den Bauern, der den ganzen Tag mit der Mistgabel hantiert, gibt es nicht mehr.

Welche digitale Technologie kommt aktuell schon in Ihrem Landwirtschaftsunternehmen zum Einsatz?

Eckhard Hunstock: Intelligente Lenktechnologien sind bereits seit den 2000er-Jahren der Stand der Technik. Dank ihnen kann auch nachts präzise gearbeitet werden. Dann haben wir Düngesysteme, um in Teilflächen bedarfsgerechte Düngemittel zu benutzen. Genauso ist es beim Thema Pflanzenschutz. Unkräuter treten auf verschiedenen Flächen unterschiedlich häufig auf. Für Maschinenfahrer sind diese Unterschiede mit dem bloßen Auge einfach nicht zu erkennen. Hier helfen uns digitalisierte Karten dabei, Unkräuter zu identifizieren und die Behandlung auf Teilflächen umzusetzen. Das spart dem Unternehmen Betriebsmittel und reduziert die eingesetzten Pflanzenschutzmittel auf ein Minimum. Mithilfe von Satellitenbildern und Falschfarbkameras können wir den Einsatz von Stickstoffdüngern optimieren, so dass auch hier der tatsächliche Bedarf der Pflanzen ermittelt und Überdüngung vermieden werden kann. Ein weiterer Punkt sind von uns vorbereitete Saatkarten. Durch diese können die Traktoren automatisch in den Bereichen, wo gute Bodenbedingungen herrschen, ein paar Saatkörner weniger, und dort wo die Pflanzen schwierige Bedingungen vorfinden, ein paar Saatkörner mehr sähen. So wächst schließlich ein gleichmäßiger Pflanzenbestand heran.

Wie profitieren Endverbraucher*innen von der Digitalisierung im Landwirtschaftsbereich?

Eckhard Hunstock: Sie bekommen in erster Linie ein besseres Produkt mit gleichbleibender Qualität. Nehmen wir als Beispiel den Brotweizen. Der soll nicht zu viel und nicht zu wenig Protein haben, damit das damit gebackene Brot später nicht in sich zusammenfällt. Dafür muss er ausgewogen gedüngt werden. Da gibt es eine ganz enge Spanne, in der der Weizen perfekt wird.

Digitale Technik ermöglicht es, ein Naturprodukt mit minimalem Aufwand an Dünger und Pflanzenschutzmitteln zu erzeugen.

Eckhard Hunstock, Landwirt und Geschäftsführer

Digitale Technik ermöglicht es, ein Naturprodukt mit minimalem Aufwand an Dünger und Pflanzenschutzmitteln zu erzeugen. Gleiches gilt für die Braugerste. Hier verhindert eine ausgewogene Düngung zum Beispiel, dass sich im späteren Bier unerwünschte Fuselöle bilden. So bekommt der Endverbraucher dann hoffentlich keine Kopfschmerzen. Zudem profitiert auch die gesamte Gesellschaft von einem Landwirtschaftsbetrieb, der ressourcenschonend arbeitet und nicht überdüngt. Insofern nutzt die Digitalisierung nicht nur dem Produkt, sondern auch der Nachhaltigkeit.

Wie hilft die Digitalisierung noch dabei, die Landwirtschaft nachhaltiger zu machen?

Eckhard Hunstock: Da gibt es zahlreiche Beispiele. Unsere Maschinen verbrauchen im Jahr über 100.000 Liter Dieseltreibstoff. Das sind rund 100 Liter pro Hektar. Je weniger Doppelfahrten wir machen und je präziser die Maschinen gesteuert werden, desto weniger Treibstoff wird benötigt und desto weniger Emissionen entstehen. Dabei helfen digitale Lenksysteme. Ein anderes Beispiel ist der Einsatz von Düngemitteln: Hier helfen präzise gesteuerte Geräte, den Dünger bedarfsgerecht zu dosieren, sodass negative Auswirkungen durch Überdüngung verhindert werden.

Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich bei der Digitalisierung konfrontiert?

Eckhard Hunstock: Die Digitalisierung schreitet mit einem Tempo voran, dass wir heute gar nicht wissen können, was morgen der Stand der Technik sein wird. Sicher ist aber, dass wir für die Anwendung neuer Technologien Daten benötigen werden. So viele Daten wie wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Diese entstehen durch Sensoren in den Maschinen oder durch Messgeräte in den Böden. Als Mittelständler erkennt man dabei sehr schnell seine Grenzen bei der Auswertung und Verarbeitung dieser großen Datenmengen. Dafür muss man dann Dienstleister beschäftigen, die diese Services anbieten. Mit deren Hilfe können wir beispielsweise Prognosen tätigen und Pflanzenerkrankungen erkennen, bevor diese ausbrechen. Technologische Möglichkeiten gibt es viele. Ich muss aber betriebswirtschaftlich bewerten, welche sich auch lohnen. Nur dann kann ich eine Technologie guten Gewissens anschaffen. Dabei sollte man nicht auf jedes Pferd aufspringen, das vorbeigaloppiert.

Welche Rolle spielt der Mobilfunk bei der Digitalisierung der Landwirtschaft?

Eckhard Hunstock: Es gibt schon Hersteller, die ihren Maschinen eigene elektronische SIM-Karten eingebaut haben, sodass sie über Mobilfunknetze kommunizieren können. Darüber läuft dann unter anderem der Datenaustausch mit der Werkstatt zum Beispiel für einen anstehenden Ölwechsel. Die Maschine teilt der Werkstatt mit, dass ein Ölwechsel notwendig ist und bekommt direkt einen Wartungstermin eingetragen. Zudem können über Mobilfunk auch Fehlermitteilungen gesendet werden, sodass die Problemursache aus der Ferne analysiert und bei Fehleinstellungen im besten Fall sogar behoben werden kann.

Zukünftig wird die gesamte Kommunikation der Maschinen untereinander über LTE- oder 5G-Netze laufen.

Eckhard Hunstock, Landwirt und Geschäftsführer

Zudem kann ich mich auch von extern auf einem Mähdrescher einwählen, in Echtzeit den aktuellen Durchsatz kontrollieren und gegebenenfalls korrigierend eingreifen. Zukünftig wird die gesamte Kommunikation der Maschinen untereinander über LTE- oder 5G-Netze laufen. So wird beispielsweise ein Mähdrescher einem Transportfahrzeug seinen Füllstand übermitteln können, um eine reibungslose Ernte mit weniger Wartezeiten zu realisieren. Ein Mähdrescher kostet heute oft über 500.000 Euro. Da nur wenige Wochen im Jahr Erntesaison ist, zählt jede Minute Einsatzzeit. Grundvoraussetzung für diese Technologie ist aber ein stabiles und flächendeckendes Mobilfunknetz. Hier gibt es leider noch viele Lücken in ländlichen Regionen.

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Welche neuen Möglichkeiten wird der 5G-Mobilfunkstandard bringen?

Eckhard Hunstock: Zum einen bringt 5G geringere Latenzzeiten, das heißt es gibt fast keine Verzögerungen mehr beim Datenaustausch. Zum anderen bietet 5G schnellere Übertragungsraten, es können also mehr Daten pro Sekunde gesendet und empfangen werden. Gegenwärtig sind die zwischen Landwirtschaftsmaschinen ausgetauschten Datenmengen aber noch überschaubar. Da verbraucht jeder Teenager, der ein YouTube-Video schaut, mehr Datenvolumen. Zukünftig kann sich das aber ändern, wenn Maschinen große Datenmengen für bestimmte Prozesse benötigen. Ein Szenario dafür wäre die Identifizierung von Unkraut in Echtzeit. Dabei scannt die Maschine den Boden mithilfe von Sensoren und gleicht die Ergebnisse mit Informationen in Datenbanken ab. Hierfür muss der Datenaustausch zwischen den landwirtschaftlichen Geräten mit hoher Geschwindigkeit erfolgen. Unkraut zu erkennen ist die Basis, um kleinräumige Flächen präzise zu behandeln. Auch für mechanische Unkrautbekämpfung mithilfe von Pflanzenerkennungen wie wir sie heute von Pflanzenbestimmungs-Apps kennen, ist eine stabile und schnelle Datenverbindung wohl unverzichtbar. Maschinen wären dann in der Lage, Unkraut von Nutzpflanzen zu unterscheiden und dieses ganz zielgerichtet zu beseitigen. Diese Technik ist für den landwirtschaftlichen Einsatz aber momentan noch Zukunftsmusik und erst in einer Testphase.

Wie steht es um den 5G- und den Mobilfunkausbau im ländlichen Raum?

Eckhard Hunstock: In Sachsen wird in einem Forschungsprojekt der Technischen Universität Dresden an digitalisierten Anwendungen für die Landwirtschaft gearbeitet. Dabei soll eine 5G-Mobilfunkschneise entstehen. Das gibt sicher die Gelegenheit, die Möglichkeiten des 5G-Standards zu testen und Vorteile für die Landwirtschaft auszuloten.

Aktuell ist die Abwesenheit von Mobilfunk das größere Problem von Landwirten. 

Eckhard Hunstock, Landwirt und Geschäftsführer

Persönlich bin ich aber der Meinung, dass ein flächendeckender Ausbau des LTE-Netzes vorerst zielführender wäre. Aktuell ist die Abwesenheit von Mobilfunk das größere Problem von Landwirten. Hier tut sich aber etwas bei den Mobilfunkbetreibern, die vermutlich auch politischen Druck verspüren, vorhandene Funklöcher zu schließen. Wir haben bereits einen 4G-Funkmast auf dem Gelände und bekommen nun noch einen zweiten. Für unser aktuell benötigtes Datenvolumen reicht das aus.

Wenn Sie sich ein digitales Werkzeug für Ihr Unternehmen wünschen könnten, was wäre das?

Eckhard Hunstock: Mein Wunsch wäre eine programmierbare Drohne. So ein Gerät ist für einen Landwirtschaftsbetrieb vor allem schick, um seine Bestände zusätzlich von oben beurteilen zu können. Mir ginge es aber nicht nur um Fotos, sondern um Daten. Das heißt idealerweise hätte die Drohne entsprechende Sensoren, um Daten zu erheben, die an unsere Software weitergeleitet würden. Nach Auswertung könnten so aktuelle Daten in unsere Arbeit einfließen und unmittelbar als Anweisungen an die Maschinen gesendet werden. An diesen Ideen wird von Herstellern bereits gearbeitet. Für den Einsatz bräuchte es dann aber auch ein stabiles Funknetz.

Eckhard Hunstock ist Geschäftsführer der Agrarprodukte Großvargula GmbH und DKB-Geschäftskunde.

Kurz gesagt
  • Bei der Digitalisierung der Landwirtschaft geht es vor allem um die bedarfsgerechte Anwendung von Produktionsmitteln wie z. B. Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmittel.

  • Jeder Eingriff in die Natur muss so minimal wie möglich bleiben.

  • Verbraucher*innen bekommen durch Digitalisierung ein besseres Naturprodukt mit gleichbleibender Qualität.

  • Zukünftig wird die gesamte Kommunikation der Maschinen über LTE- oder 5G-Netze laufen.

  • Aktuell sind die zwischen Landwirtschaftsmaschinen ausgetauschten Datenmengen aber noch überschaubar.