Statt der Playstation 5 zum Loszocken lag nur ein Gutschein unterm Weihnachtsbaum. Das schicke Elektrobike ist erst im Herbst wieder lieferbar. Und die deutsche Autoindustrie warnt vor anhaltenden Lieferproblemen, weil die nötigen Mikrochips für Fahrzeuge knapp werden. Die Coronakrise macht Risiken und Nebenwirkungen der Globalisierung deutlich.
Doch die Probleme reichen tiefer als die direkten wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus, warnen Logistiker*innen und Ökonom*innen.
Die Coronakrise macht Risiken und Nebenwirkungen der Globalisierung deutlich.
Natürlich ist nicht ausgeschlossen, dass die Handelsbeziehungen in den kommenden Monaten in die eingespielten Abläufe zurückfinden. Für wahrscheinlicher halten Branchenbeobachter*innen indes, dass grundlegende Veränderungen anstehen. Darin stecken zwar Unwägbarkeiten, doch für gut aufgestellte Unternehmen ergeben sich auch Wachstumschancen.
60 %betrug der weltweite Anteil der Produktion für den Export Anfang der 2010er-Jahre, 40 Jahre früher waren es rund 30 Prozent.
Der Handel macht die Welt kleiner
Der internationale Handel gilt als ein Garant für allgemeinen Wohlstand und wurde in den letzten Jahrzehnten immer weiter liberalisiert. Zölle und Einfuhrbeschränkungen fielen, der Ausbau der Infrastruktur vereinfachte den Transport. Offenere Grenzen haben den Warenaustausch angetrieben. Anfang der 1970er-Jahre gingen rund 30 Prozent der Produktion weltweit in den Export, 40 Jahre später waren es 60 Prozent. Neben dem Austausch fertiger Produkte ist die Arbeitsteilung zwischen den Volkswirtschaften wichtiger geworden. In fast allen Produkten, die wir heute nutzen, stecken Bestandteile aus unterschiedlichen Teilen der Welt.
Apples iPhone ist das Vorzeigebeispiel für eine globale Lieferkette. „Designed in California” steht stolz auf der Verpackung. In dem Gehäuse aber steckt der halbe Globus. Batterien, Kameraelemente, Halbleiter, Sensoren sowie das Display stammen unter anderem aus China, Deutschland, Japan, der Schweiz, Taiwan und den USA. Vor allem in chinesischen Produktionsstätten werden die Teile zusammengebaut, bevor die Telefone in aller Welt in den Handel gehen.
Internationale Arbeitsteilung ist aber kein Privileg der Technologiebranche. Die Baumwolle für die schicke Sommerbluse kommt aus den Südstaaten der USA, in Japan wird daraus Stoff gewebt, der in Malaysia zugeschnitten und genäht wird. Die Knöpfe im Perlmutt-Stil sind in Südchina aus Spezialplastik gegossen. In Hongkong wird die Ware mit anderen Textilien des Herstellers in Container verladen, dann in alle Welt verschifft.
Risse im Liefersystem
In den vergangenen zwei Jahren hat das Coronavirus die internationale Abhängigkeit als Kehrseite der Globalisierung verdeutlicht. Im Frühjahr 2020 mussten Autohersteller in Europa die Produktion stoppen, nachdem Zulieferer wegen Lockdowns den Betrieb eingestellt hatten. Ein extremer Nachfragesprung für Produkte wie medizinische Schutzkleidung oder Grundstoffe für Medikamente machte öffentlich, wie viele Vorprodukte und Waren bei nur wenigen Herstellern konzentriert sind.
Bis heute ist Sand im Getriebe. Mikroprozessoren, Holz als Baumaterial, Transportkapazität auf Containerschiffen – immer neue Branchen berichten von Schwierigkeiten bei der Beschaffung und damit der Produktion.
Neben Produktionsproblemen bei Zulieferern hat das reduzierte Angebot mit einer erheblich angezogenen Nachfrage zu tun.
Neue Realität oder Detailanpassungen?
Angesichts der Lieferschwierigkeiten ist in vielen Unternehmen die Rede von einem Strategieschwenk. Die „Glokalisierung“ soll es nun richten, dabei wird ein erheblicher Teil der Produktion wieder näher zu den Verbraucher*innen geholt. Auch die Vorrats- und Lagerhaltung kommt – in Maßen – wieder in Mode, um Ausfälle abzufedern.
Mit rasanten Veränderungen ist dennoch nicht zu rechnen. Das passende Personal für die nötigen Aufgaben steht längst nicht überall zur Verfügung. Zudem engen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie in vielen Branchen den finanziellen Spielraum für fundamentale Umstrukturierungen ein.
Andere Entwicklungen könnten durchaus dafür sorgen, dass ein umfassender internationaler Austausch künftig genauer überdacht wird: Dazu zählen ein wachsender Protektionismus sowie Maßnahmen, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen. Die zusätzliche Regulierung, etwa der Green Deal der Europäischen Union oder das deutsche Lieferkettengesetz, setzt Unternehmen genauso unter Druck wie die Wünsche der Verbraucher*innen.
Vielfältige Optionen für die Geldanlage
Angesichts dieser Trends ist klar, dass sich Unternehmen an das neue Umfeld anpassen müssen. Dies geschieht bereits in einigen Branchen:
Logistik
Die Nachfrage nach den Diensten von Reedereien, Transportunternehmen und Logistikern bleibt hoch und dürfte weiter wachsen. Mehrere Reedereien haben in den vergangenen Monaten ordentliche Gewinne ausgewiesen. Wichtig ist aber auch ein gesunder Ausbau der Kapazitäten, etwa durch zusätzliche Schiffe. Chancen stecken in der Digitalisierung, um Transporte effizienter zu machen, bei der Beladung oder der Vermeidung von Leerläufen.
WKN: 555200; ISIN: DE0005552004
Die Deutsche Post, die in einigen Geschäftsfeldern unter dem Markennamen DHL auftritt, ist einer der weltgrößten Logistikkonzerne. Unter ihrem Dach vereint sie Post- und Paketdienste mit Spedition und Frachtgeschäft sowie komplexe Logistiklösungen und Supply-Chain-Management.
WKN: HLAG47; ISIN: DE000HLAG475
Die Container-Reederei aus Hamburg, die Nummer 5 der Branche, bedient mit ihrer Flotte von 250 Schiffen Häfen in aller Welt. Außerdem gehören weitere Dienstleistungen wie Kühltransporte oder Zollabfertigung zum Angebot.
Hamburger Hafen und Logistik AG
WKN: A0S848; ISIN: DE000A0S8488
Das Unternehmen, als HHLA bekannt, betreibt Containerterminals im Hamburger Hafen und in Odessa in der Ukraine. Neben dem Handling im Hafen führt die HHLA Transporte ins Hinterland sowie in die Ostseeregion durch.
Legal & General Ecommerce Logistics
WKN: A2H5GL; ISIN: IE00BF0M6N54
Dieser ETF investiert weltweit in Logistikdienstleister und große Internethändler. Beteiligungen reichen von der dänischen Reederei AP Møller Maersk über den britischen Online-Supermarkt Ocado bis zum US-Kurierdienst Fedex.
Automobil
Die Automobilindustrie leidet besonders unter Lieferschwierigkeiten. Fehlende Prozessoren für Fahrzeuge haben die Wachstumserwartungen einiger Unternehmen ins Wanken gebracht. Doch die Autohersteller arbeiten mit Hochdruck am Umbau ihrer Strukturen. Vorstöße, mit Partnern eigene Prozessoren zu entwickeln, gehören genauso dazu wie ein engerer Informationsaustausch als Frühwarnsystem bei Lieferschwierigkeiten.
WKN: SHA015; ISIN: DE000SHA0159
Schaeffler ist ein deutscher Zulieferer für die Autoindustrie rund um Motoren, Getriebe und Chassis. Der weltweit tätige Konzern mit Sitz in Herzogenaurach bietet auch Reparatur- und Ersatzteildienste an und ist aktiv in der Digitalisierung der Produktion.
WKN: 851204; ISIN: US3825501014
Das US-Unternehmen ist bekannt als Reifenhersteller, unter anderem mit den Marken Fulda und Dunlop. Es produziert Reifen für Autos, Busse und LKWs, aber auch für Flugzeuge, landwirtschaftliche Fahrzeuge und den Bergbau, sowie Gummivarianten für Chemikalien.
WKN: A2PND9; ISIN: DE000A2PND96
Dieser aktiv verwaltete Fonds legt international in Unternehmen an, die mit Mobilitätslösungen und Transportkonzepten arbeiten. Entsprechend gehören eine Reihe großer Tech-Konzerne zu den Beteiligungen: die Google-Mutter Alphabet, der chinesische Autobatterie-Spezialist BYD und der südkoreanische Konzern Samsung.
Lyxor STOXX Europe 600 Automobiles & Parts
WKN: LYX01V; ISIN: LU1834983394
Dieser ETF investiert in Automobilhersteller und Zulieferer, die zum Index Stoxx Europe 600 gehören. Wegen der Bedeutung der Branche für die deutsche Wirtschaft entfallen über die Hälfte der Anlagen auf den hiesigen Markt.
Halbleiter
Zu den Produkten, die vielerorts knapp geworden sind, zählen vor allem Halbleiter. Das hat längst nicht nur mit coronabedingt erkrankten Arbeitern oder infolgedessen geschlossenen Häfen zu tun. Seit Jahren steigt die Nachfrage, weil Microchips als Bauelemente in immer neue Produkte Eingang finden: in Fahrzeuge und Computer, Reiskocher und Mobiltelefone, in der Medizintechnik und der Fotografie. Da die Nachfrage nach vielen Produkten, in denen Halbleiter verbaut werden, stabil ist, profitieren davon die Chiphersteller.
WKN: 623100; ISIN: DE0006231004
Infineon ist ein deutscher Designer, Entwickler und Produzent von Halbleitern. Das Unternehmen, das stark in Asien vertreten ist, arbeitet für die Autoindustrie, den Energiesektor, die Kraftwerkstechnik und für Chipkartenanbieter. Es gehört zum Aktienindex Dax.
WKN: 567710; ISIN: DE0005677108
Das Halbleiterunternehmen aus Dortmund hat traditionell seinen Schwerpunkt in der Autobranche. Die Mikromechanik-Sparte arbeitet für Produktions- und Verbrauchsgüterhersteller und Medizintechnikunternehmen. Zum Portfolio gehören auch optische Sensoren.
Lyxor MSCI Semiconductors ESG Filtered
WKN: LYX018; ISIN: LU1900066033
Dieser ETF besteht aus Aktien mehrerer Unternehmen aus der Industriegruppe Halbleiter und Halbleiterausrüstung. Er investiert in Firmen aus Industrie- und Schwellenländern, darunter aus Taiwan – Unternehmen des asiatischen Inselstaates gehören zu den wichtigen Anbietern von Halbleitertechnologie.
Chancen in weiteren Branchen
Neben den wenigen Wirtschaftszweigen, die direkt von der Nachfrage nach Transport und Logistik profitieren, bieten die aktuellen Lieferschwierigkeiten auch anderen Unternehmen Chancen, effizienter zu werden und sich besser aufzustellen. Angesichts der Herausforderungen und Veränderungen in den betroffenen Branchen ist es für Anleger*innen interessant, diese Entwicklungen für ihr eigenes Portfolio und ihre Anlagestrategie im Blick zu behalten.