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„Wasserstoff ist ein Schlüsselelement für die Energiewende“

Nicht nur für die Wirtschaft gilt Wasserstoff als Heilsbringer, um die Energiewende zu bewältigen. Im Interview erklärt die DKB-Energieexpertin Manuela Heise, welches Potential in dem reaktionsfreudigen Gas steckt und wo es noch hakt.

Januar 2021

Manuela Heise leitet in der DKB den Fachbereich „New Energies“ und betreut Finanzierungsvorhaben von Geschäftskund*innen für nachhaltige Energieformen. Bereits in ihrem BWL-Studium beschäftigte sich die gebürtige Brandenburgerin mit erneuerbaren Energien. Zuletzt arbeitete sie als Referatsleiterin in der Staatskanzlei des Landes Brandenburg zu den Themen Wirtschaft und Energie.

Hallo Manuela, kannst du uns als Leiterin des DKB-Fachbereichs „New Energies“ erklären, warum aktuell so viel über Wasserstoff gesprochen wird?

Manuela Heise: Wer über Wasserstoff spricht, spricht aktuell vor allem über die Energiewende. Für die Energiewende braucht es nämlich mehr als die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen. Es bedarf auch einer Wärme- und Verkehrswende, denn auch diese Sektoren müssen auf CO2-neutrale Energien umgestellt werden. Dafür brauchen wir aber neue Formen beziehungsweise Möglichkeiten der Speicherung von erneuerbarem Strom.

Wasserstoff ist ein hervorragendes Speicher- und Transportmedium für grünen Strom.

Manuela Heise, Leiterin des DKB-Fachbereichs "New Energies"

Und hier kommt Wasserstoff ins Spiel. Denn Wasserstoff ist ein hervorragendes Speicher- und Transportmedium für grünen Strom. Viele erinnern sich vielleicht noch an die Knallgasreaktion aus dem Chemieunterricht und wissen, dass Wasserstoff als Gas ein hervorragender Energieträger ist. Es hat nämlich trotz seiner leichten Entzündbarkeit die einzigartige Eigenschaft, emissionsfrei zu verbrennen. Das einzige Nebenprodukt dabei ist Wasser. Darüber hinaus ist es das häufigste chemische Element im Universum. Als Energieträger und Speichermedium ist Wasserstoff ein Schlüsselelement für die erfolgreiche Energiewende.

Was unterscheidet Wasserstoff dabei von Wind- oder Solarenergie?

Manuela Heise: Um nachhaltig Energie in Form von Strom zu erzeugen, nutzen wir Wind beziehungsweise Sonnenstrahlen. Beides liefert uns die Natur bereits in Reinform. Wasserstoff existiert in der Natur jedoch nur in gebundener Form, zum Beispiel in Wasser. Das heißt, man muss erst Energie aufwenden, um ihn zu gewinnen. Der Vorteil von Wasserstoff ist dann aber, dass er zeitlich und räumlich entkoppelt von der Erzeugung gespeichert, transportiert sowie vielseitig verwendet werden kann. Man kann ihn im Verkehr einsetzen, ins Gasnetz einspeisen und Strom oder Wärme daraus machen. Mittels Wind- oder Solaranlagen produzierter Strom kann in der Regel nur in stationären Batteriespeichern vorgehalten werden und ist nicht so flexibel nutzbar.

Der Vorteil von Wasserstoff ist, dass er zeitlich und räumlich entkoppelt von der Erzeugung gespeichert, transportiert sowie vielseitig verwendet werden kann.

Manuela Heise, Leiterin des DKB-Fachbereichs "New Energies"

Wie gewinnt man Wasserstoff eigentlich?

Manuela Heise: Wasserstoff wird derzeit hauptsächlich durch Elektrolyse gewonnen. Das gängigste Verfahren ist die Wasserelektrolyse, bei der Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt wird. Nutzt man für die Elektrolyse Strom aus Wind- und Solaranlagen, entsteht dabei „grüner“ Wasserstoff, den ich übrigens als einzig nachhaltige Form ansehe. In Gasspeichern kann dieser dann vor Ort gelagert oder in Gastanks sowie über Pipelines transportiert werden.

Also gibt es „guten“ und „schlechten“ Wasserstoff?

Manuela Heise: Ich will das gar nicht auf diese Weise bewerten. Es gibt unterschiedliche Verfahren, wie Wasserstoff gewonnen wird. Je nachdem, mit welchem man arbeitet, wird der entstandene Wasserstoff mit einer Farbe bezeichnet. Grauer Wasserstoff wird aus fossilen Energieträgern wie Kohle und unter hohem CO2-Ausstoß hergestellt. Blauer Wasserstoff entsteht durch die Dampfreformierung von Erdgas.

Die DKB finanziert übrigens nur nachhaltige Vorhaben mit grünem Wasserstoff.

Manuela Heise, Leiterin des DKB-Fachbereichs "New Energies"

Auch dabei entsteht aber CO2 als Nebenprodukt, das gelagert oder weiterverwendet werden muss. Über die unterirdische Speicherung wurde vor ein paar Jahren heftig gestritten. Ein Zeichen dafür, dass es an der Akzeptanz der Bevölkerung mangelt. Türkiser Wasserstoff wird durch die thermische Spaltung von Methan hergestellt. Hierbei entsteht kein gasförmiges CO2, sondern fester Kohlenstoff. Das Verfahren ist aber sehr teuer und kommt selten zum Einsatz. Der grüne Wasserstoff hingegen wird aus Wasser und unter Einsatz von erneuerbaren Energien CO2-neutral produziert. Die DKB finanziert übrigens nur nachhaltige Vorhaben mit grünem Wasserstoff.

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Welches Vorhaben fällt dir da spontan ein?

Manuela Heise: In Schleswig-Holstein finanzieren wir das Projekt „Windgas Haurup“, welches überschüssigen Windstrom dazu nutzt, grünen Wasserstoff herzustellen und so die Energie speicherbar zu machen. Hier findet die Energiewende sozusagen schon im Kleinen statt. Vielerorts werden Windräder abgestellt, wenn zu viel Strom im Netz ist. Vorhandene Potenziale bleiben dann leider ungenutzt. „Windgas Haurup“ zeigt, wie es besser geht. Betrieben wird die Anlage durch die Energie des Nordens GmbH & Co. KG. Die Hamburger Ökoenergiegenossenschaft Greenpeace Energy nimmt das Windgas ab und beliefert damit seine Wärmekund*innen. Das ist ein echtes Leuchtturmprojekt für die Energiewende.

Vielerorts werden Windräder abgestellt, wenn zu viel Strom im Netz ist. „Windgas Haurup“ zeigt, wie es besser geht.

Manuela Heise, Leiterin des DKB-Fachbereichs "New Energies"

Welche Unternehmen können von dem hohen Interesse an Wasserstoff profitieren?

Manuela Heise: Bei grünem Wasserstoff sind das zuerst Unternehmen in der Erzeugung von erneuerbaren Energien, also Hersteller und Betreiber von Windkraft- und Photovoltaikanlagen. Dann natürlich auch die Wasserstofferzeuger und die Hersteller von Elektrolyseuranlagen, mit denen man die Elektrolyse und damit die Gewinnung von Wasserstoff durchführen kann. Aber auch Speicherhersteller, Tankstellen, Heizungsbauer und die Brennstoffzellenindustrie gehören zur Wertschöpfungskette. Man sieht: Die Anwendungsmöglichkeiten sind sehr vielfältig.

Welchen Nutzen hat Wasserstoff heute schon für Endverbraucher*innen?

Manuela Heise: Wasserstoff kann sehr variabel eingesetzt werden, aber wir sprechen hier noch von möglichen Potenzialen. Die Technologie ist für viele Unternehmen eine Zukunftstechnologie und gerade erst an der Schwelle zum Massenmarkt. Es bedarf noch weiterer technologischer Entwicklungen, um die Effizienz bei der Wasserstoffgewinnung zu steigern und so die Kosten zu drücken.

Es bedarf noch weiterer technologischer Entwicklungen, um die Effizienz bei der Wasserstoffgewinnung zu steigern.

Manuela Heise, Leiterin des DKB-Fachbereichs "New Energies"

Trotzdem gibt es schon einige Projekte: Die Hochbahn Hamburg beispielsweise will bis 2025 eine eigene Wasserstoff-Busflotte mit Brennstoffzellenantrieb aufbauen. Im Wärmebereich versorgt das brandenburgische Unternehmen Enertrag schon jetzt ein ganzes Dorf per Fernwärmenetz und auch die Stadt Prenzlau mit der Abwärme, die bei der Herstellung von grünem Wasserstoff anfällt. Für eine erfolgreiche Energiewende bedarf es aber des weiteren Ausbaus von Erzeugungskapazitäten, Netzen und Speichermöglichkeiten. Ziel muss eine flächendeckende Infrastruktur sein und kein Flickenteppich. Nur dann wird Wasserstoff vom Hype zur Hoffnung für die nachhaltige Energieversorgung.

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Was braucht es, damit Wasserstoff diese Hoffnungen erfüllen kann?

Manuela Heise: Wasserstoff ist im Vergleich zu konventionellen Energieträgern aktuell nicht wettbewerbsfähig. Er ist schlichtweg zu teuer. Das liegt zum einen an den hohen Investitionskosten und dem niedrigen Wirkungsgrad. Derzeit können nur rund 60 Prozent der bei der Elektrolyse eingesetzten Energie in Wasserstoff gebunden werden. Zum anderen, und das ist aus meiner Sicht das Hauptthema, bremsen die aktuellen regulatorischen Rahmenbedingungen den Auf- und Ausbau einer Wasserstoffwirtschaft.

Die aktuellen regulatorischen Rahmenbedingungen bremsen den Auf- und Ausbau einer Wasserstoffwirtschaft.

Manuela Heise, Leiterin des DKB-Fachbereichs "New Energies"

Bisher waren Wasserstoffhersteller als sogenannte „Letztverbraucher“ verpflichtet, EEG-Umlagen und Netzentgelte zu zahlen. Auf die reinen Produktionskosten kamen also noch sämtliche Umlagen oben drauf. So kostet ein Kilogramm grüner Wasserstoff aktuell rund 10 Euro. Dafür muss man erst einmal Abnehmer*innen finden, die bereit sind, das zu bezahlen. Mit der „Nationalen Wasserstoffstrategie“ der Bundesregierung kommt nun aber auch von politischer Seite Bewegung in die Sache. Das Strategiepapier beinhaltet nicht nur finanzielle Zusagen, sondern auch feste Ausbauziele für die Wasserstofferzeugung. Und nicht zuletzt entlastet das überarbeitete Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) die wasserstoffproduzierenden Unternehmen teilweise von der EEG-Umlage.

Welche Rolle wird Wasserstoff in 30 Jahren spielen? Was ist deine Vision?

Manuela Heise: Ich bin überzeugt davon, dass Wasserstoff im Jahr 2050 ein wesentlicher Bestandteil des gesamten Energiesystems sein wird – insbesondere in den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr. Kohle, Erdöl und Erdgas werden als Energieträger weitgehend abgelöst sein. In der verarbeitenden Industrie wird grüner Wasserstoff vielfältig eingesetzt werden, zum Beispiel in der Stahlproduktion, Zementindustrie und in Chemieunternehmen. Er wird auch Metropolen mit Strom und Wärme versorgen. Dank Wasserstoff wird vor allem der Mobilitätssektor 2050 emissionsfrei laufen. Egal, ob Nutzfahrzeuge im Straßenverkehr, der Schienenverkehr oder die Luft- und Raumfahrt, alle werden Wasserstoff als Kraftstoff nutzen. Bei all der Euphorie bin ich mir aber auch sicher, dass Wasserstoff für die Energiewende nur ein Baustein sein wird.

Manuela Heise ist Fachbereichsleiterin „New Energies“ bei der DKB.

Kurz gesagt
  • Für die Energiewende braucht es neue Formen der Speicherung von erneuerbarem Strom. Wasserstoff ist ein hervorragendes Speicher- und Transportmedium für grünen Strom.

  • Der Vorteil von Wasserstoff ist, dass er zeitlich und räumlich entkoppelt von der Erzeugung gespeichert, transportiert sowie flexibel eingesetzt werden kann.

  • Grüner Wasserstoff wird aus Wasser und unter Einsatz von erneuerbaren Energien CO2-neutral produziert.

  • Es bedarf noch weiterer technologischer Entwicklungen, um die Effizienz bei der Wasserstoffgewinnung zu steigern und die Kosten zu drücken.