Markus Jordan hat über 30 Jahre Erfahrung in der Finanzbranche und ist Experte für die Geldanlage mit Exchange Traded Funds (ETFs) und digitale Bankdienstleistungen. Er ist Herausgeber der ETF-Publikation Extra-Magazin und Betreiber des Portals extraETF.com, das Anleger*innen dabei unterstützen möchte, erfolgreich am Kapitalmarkt ein Vermögen aufzubauen.
Hallo Herr Jordan, in der Hauptversammlungssaison wird wieder viel über Dividenden gesprochen. Warum zahlen Unternehmen ihren Aktionär*innen eigentlich eine Dividende.
Markus Jordan: Dafür muss man wissen, dass eine Aktie ein Anteil an einem Unternehmen ist. Als Aktionär beziehungsweise Anteilseigner stelle ich mein Kapital bereit und habe in der Regel zwei Interessen: Zum einen möchte ich von der längerfristigen Geschäftsentwicklung profitieren, was sich in Kursgewinnen widerspiegeln kann. Zum anderen will ich an den Unternehmensgewinnen beteiligt werden. Die Dividende ist letztlich der Teil des Gewinns, der an die Anteilseigner*innen ausbezahlt wird. Sie hat insofern auch eine Signalwirkung für Aktionär*innen, da sie zeigt, dass das Geschäftsmodell des Unternehmens funktioniert. Daher zahlen Firmen mit etablierten Geschäftsmodellen auch häufiger eine Dividende.
Anleger*innen können ihre Geldanlage auch auf die Ausschüttung von Dividenden ausrichten. Man spricht dann von einer „Dividendenstrategie“. Für wen eignet sich eine solche Anlagestrategie?
Markus Jordan: Hinter einer Dividendenstrategie steckt oft der Wunsch, sich ein regelmäßiges zweites Einkommen zu generieren. Es ist möglich, durch eine geschickte Auswahl an Aktien jeden Monat eine Dividendenausschüttung zu erhalten. Allerdings ist das nicht für jeden sinnvoll. Man braucht ein hohes Anlagevolumen, um ein lukratives passives Einkommen zu erwirtschaften.
Wer mit weniger Aufwand breiter investieren möchte, für den können ausschüttende ETFs oder Dividenden-ETFs sinnvoll sein.
Markus Jordan, Anlageexperte und Betreiber des Portals extraETF.com
Was muss man bei der Auswahl von Dividendentiteln beachten?
Markus Jordan: Hier sind ein paar grundsätzliche Kennzahlen relevant, die man aber zum Teil mit Vorsicht betrachten sollte. Studien zeigen, dass über lange Zeiträume die Dividende rund 30 Prozent der Gesamtperformance einer Aktie ausmacht. Viele schauen bei der Aktienauswahl in erster Linie auf die Dividendenrendite, also die Dividende pro Aktie geteilt durch den Aktienkurs. Das ist aber eine trügerische Kennzahl, da sie nur etwas über den aktuellen Zeitpunkt aussagt. Nehmen wir als extremes Beispiel, dass ein Unternehmen eine Rekorddividende zahlt, diese aber durch den Verkauf des lukrativsten Geschäftsteils finanziert hat. Dann ist das kurzfristig positiv für die Aktionär*innen, für die zukünftige Unternehmensentwicklung aber wohl eher negativ. Wichtiger ist also, ob das Unternehmen kontinuierlich eine Dividende zahlt und diese bestenfalls auch noch steigt. Folglich sollte man auf die Kontinuität und das Dividendenwachstum schauen. Und auch die Ausschüttungsquote ist relevant. Diese gibt an, welchen Anteil die Dividendenzahlungen am Unternehmensgewinn ausmachen. Zahlt ein Unternehmen regelmäßig eine Dividende, die es aus dem Ertrag heraus gar nicht erwirtschaftet, ist das kein gutes Zeichen.
Wichtiger ist also, ob das Unternehmen kontinuierlich eine Dividende zahlt und diese bestenfalls auch noch steigt. Folglich sollte man auf die Kontinuität und das Dividendenwachstum schauen.
Markus Jordan, Anlageexperte und Betreiber des Portals extraETF.com
Wie kann man mit ETFs von Dividenden profitieren?
Markus Jordan: Da fallen mir natürlich spezielle Dividenden-ETFs ein, die Dividenden-Indizes nachbilden. Es gibt aber noch eine ganze Reihe an ETFs, die hohe Ausschüttungsrenditen haben. Man muss also nicht in Dividenden-ETFs investieren, um Ausschüttungen zu erhalten. Generell muss man bei Dividenden-ETFs schauen, wie der zugrunde liegende Index erstellt wird, das heißt, wie die Unternehmen darin aufgenommen werden. Da gibt es nämlich ziemlich „doofe“ Indizes wie den Div-Dax, der ausschließlich die aktuelle Dividendenrendite betrachtet. Besser sind Indizes, die weitere Qualitätsmerkmale wie Kontinuität, Wachstum und Ausschüttungsquote berücksichtigen. Dazu gehören zum Beispiel die so genannten Aristokraten-ETFs, die nur Unternehmen beinhalten, die ihre Dividende in den letzten 10 bis 20 Jahren gehalten oder steigern konnten.
Welche Rolle sollte der Dividenden-Fokus beim Aufbau eines Wertpapierportfolios spielen?
Markus Jordan: Meiner Meinung nach macht es keinen Sinn, ein Portfolio nur mit reinem Dividenden-Fokus aufzubauen. Ich sollte mir immer zuerst überlegen, warum ich mein Geld anlegen will und dann entscheiden, welche Wertpapiere für das Ziel am besten in Frage kommen.
Die Ausschüttungen bekommt man als Anleger*in so oder so. Die Frage ist nur: Will ich sie regelmäßig aufs Konto ausgezahlt bekommen oder sollen sie direkt im ETF reinvestiert werden.
Markus Jordan, Anlageexperte und Betreiber des Portals extraETF.com
Und wie ist es mit ausländischen Aktien?
Markus Jordan: Generell gilt: Ausländische Aktien gehören in jedes gute Wertpapierportfolio – allein schon, um das Risiko möglichst breit zu streuen. Beim Aufbau einer Dividendenstrategie kommt hinzu, dass man von lokalen Gegebenheiten profitieren kann. In Deutschland werden Dividenden einmal im Jahr in der Hauptversammlungssaison ausbezahlt. In den USA zum Beispiel quartalsweise.
Dividenden-PortfoliosAuf dem Anlageportal extraETF.com haben Markus Jordan und sein Team Dividenden-Portfolios zusammengestellt. Weitere Tipps für die Geldanlage mit Dividenden-Fokus und ETFs gibt es in der April/Mai-Ausgabe des ETF Extra-Magazins.
Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf Dividenden?
Markus Jordan: Natürlich gibt es wegen der Corona-Pandemie Unternehmen, die ihre Dividende reduzieren oder auch aussetzten. Aber genauso gibt es Unternehmen, die trotz geringerer Gewinne weiter Dividenden zahlen, um ihre Erfolgsbilanz der letzten Jahre zu halten und so das Vertrauen der Anleger*innen zu gewinnen. Eine Studie der Allianz Global Investors hat aber auch gezeigt, dass gerade in Europa und den USA der Anteil an Unternehmen, die eine Dividende zahlen, deutlich zurückgegangen ist. In Asien blieb der Anteil stabil. Man sieht also, dass das Coronavirus Spuren hinterlassen hat. Aber bei den deutschen DAX-Unternehmen erwartet man in diesem Jahr sogar ein Prozent mehr Dividendenausschüttungen. Die Frage ist, wie lange die Corona-Pandemie noch dauern wird. Ein schlechtes Jahr können Großkonzerne meist überbrücken und die Dividende aus ihren Reserven zahlen. Sollte sich die Krise aber länger ziehen, wird der Druck auf die Unternehmen sicher größer.